Zum Tango gehören zwei...

Posted by Verarius
27-04-2023

In den ersten zwei Beiträgen haben wir uns mit grundlegenden Aspekten des menschlichen Verhaltens beschäftigt, und zwar mit der Präferenz für Sicherheit und mit dem Autopilot. Lasst uns nun Veränderung und Widerstand gegen Veränderung bei ihrem hypnotischen Tango beobachten und genauer anschauen, welche Art von Dynamik entsteht, sobald man versucht, eine organisatorische Veränderung durchzuboxen.

Zum Tango gehören zwei...

Wie bereits erwähnt (hier und hier), existieren die Präferenzen für Sicherheit und Autopilot seit jeher in der menschlichen Geschichte. Und es gibt einen Punkt, der hier betont werden muss: Diese Präferenzen sind den Menschen nicht auf magische Weise "trotz" der Evolution erhalten geblieben, au contraire! Sie haben die Evolutionbegleitet, gefördert und für das Überleben der Menschheit gesorgt. Mit anderen Worten, sie hatten eine wesentliche Rolle fürs Überleben unserer Spezies gespielt. Schließlich haben wir diese Präferenzen nicht irgendwann wie den sprichwörtlichen Schwanz fallen lassen. Es scheint eher so zu sein, dass Veränderung und Widerstand gegen Veränderung in einen komplizierten Tango verwickelt sind, der sich über Jahrhunderte und Jahrtausende erstreckt. Diese beiden sind ein perfektes Beispiel dafür, dass "Gegensätze sich anziehen": Das eine kann nicht wirklich ohne das andere existieren, und zusammen bringen sie das System wieder ins Gleichgewicht, vor allem auf lange Sicht.

Wenn man also sagt: "Veränderung ist gut, Widerstand gegen Veränderung ist schlecht, also Klappe zu und weitermachen", dann ist das mehr als nur eine groteske Vereinfachung. Das ist buchstäblich eine Halbwahrheit. Und anstatt den Prozess zu beschleunigen, erzeugt diese Halbwahrheit nur noch mehr Widerstand. Und warum? In erster Linie, weil diese "50 % der Wahrheit" zu 100 % gegen das eigene Bauchgefühl und auch gegen das "Generationengedächtnis", über welches wir ausführlich gesprochen haben, schießen. Damit fängt man im Grunde auf dem falschen Fuß an und verliert sofort an Glaubwürdigkeit. Denn egal, wie viel Sinn die rationalen Argumente haben mögen, die andere Seite hört nur ein Rauschen und fühlt sich getäuscht oder (und) belogen - und dieses Gefühl mag kaum jemand.

Aber es geht noch weiter: Für jede Aktion gibt es eine gleiche, aber entgegengesetzte Reaktion, wie du dich vielleicht noch aus dem Physikunterricht in der Schule erinnern kannst. Deine Versuche, Dinge durchzusetzen, nähren letztlich den Widerstand selbst, und die Gefahr in eine Negativspirale zu geraten wird immer größer. Je mehr die eine Seite darauf beharrt, desto größer wird der Widerstand der anderen; je mehr die treibende Kraft der Veränderung sagt, wie die Menschen sich fühlen und die Veränderung wahrnehmen sollen, desto weniger wird die logische Argumentation beim Publikum ankommen. Das Verhalten des Teams während der Umsetzung kann von mangelndem Enthusiasmus und Schlampigkeit bis hin zu Nachlässigkeit und sogar Sabotage reichen. Und je mehr man diesen Weg einschlägt, desto wahrscheinlicher wird es, dass die ganze "Veränderungsreise" besonders holprig und unnötig mühsam wird. Falls die Veränderung etwas betrifft, was irgendwie umkehrbar oder vermeidbar ist (z. B wenn ein neuer Prozess eingeführt wird, man aber trotzdem mit dem alten weitermachen kann), kann die "Reise" zu einer Art "Karussell" werden: Man kommt genau dort an, wo man angefangen hat, aber jetzt geht es allen schlecht. Und du kannst darauf wetten, dass diese negative Erfahrung den Teilnehmern im Gedächtnis bleibt und das nächste Veränderungsvorhaben entsprechend noch schwieriger wird.

Bevor wir uns der Frage "Was können wir also tun?" widmen – und um mit einer positiven Note zu enden – gibt es noch eine andere Perspektive. Der Widerstand gegen Veränderungen verdient ebenfalls eine besondere Erwähnung (und wahrscheinlich irgendwann einen eigenen Artikel). Denn er ist eine äußerst nützliche Eigenschaft, wenn man ihn aus einem anderen Blickwinkel betrachtet. Nämlich aus dem Blickwinkel und im Framing von Resilienz, Ausdauer und der Fähigkeit, angesichts von Herausforderungen und Widrigkeiten auf dem richtigen Weg zu bleiben. All diese bewundernswerten Eigenschaften sind unerlässlich, wenn man etwas Bedeutendes erreichen will. Und wie immer gilt: Nichts ist umsonst, alles hat seinen Preis. Widerstand gegen Veränderungen ist der Preis, den man für Resilienz, Ausdauer und all die großartigen Dinge zahlt, die sich darauf aufbauen lassen. Man kann das eine nicht loswerden und das andere behalten. Was man aber sicherlich machen kann, ist die Nachteile zu minimieren und die Vorteile zu maximieren, wenn man den Wandel mit offenen Augen und einer sorgfältigen Vorbereitung angeht. Und genau damit werden wir uns in den nächsten Beiträgen befassen.

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