Best Practices in Start-Ups: Fallstudie Focal Point

Posted by Verarius
14-02-2025

Der Tag nähert sich, an dem sieben Regisseure und 35 Schauspieler aus 17 Ländern in Berlin für die internationale Werkstatt für Regie und Dramaturgie “Sammelpunkt” (Engl.: “Focal Point”) zusammenkommen, ein Projekt des neu gegründeten Urban Theaters in Berlin. Ich finde Theater sehr faszinierend, da das Geschehen auf der Bühne ein Miniaturuniversum für sich ist. Gleichzeitig ist das, was hinter der Bühne passiert, für mich fast noch spannender. Dies ist eine Gelegenheit, aus erster Hand zu beobachten, inwieweit grundlegende Geschäftsprinzipien und Best Practices Anwendung finden. Die Kreativwirtschaft bringt zusätzliche Einschränkungen und Komplexitäten mit sich, wodurch das Ganze zu einer Art Stresstest wird.

Prolog

Da ich die Möglichkeit hatte, das Leben dieses Start-up-Theaters bei der Vorbereitung  von Focal Point genau zu beobachten, fielen mir Herausforderungen auf, die vielen Start-ups bekannt vorkommen dürften. Hier sind die effektivsten Ansätze, die ich entdeckt habe:

  1. Akt: Umsetzung vs. Strategie

Mit einem kleinen Team trägt jeder mehrere Hüte. In einem Theaterkontext, in dem Emotionen hochkochen und kreative Energie frei fließt, nimmt dies unerwartete Formen an – also nur zu, lass den verrückten Hutmacher raus. Aber Spaß beiseite: Diejenigen, die die langfristige Strategie des Urban Theaters formen, sind auch diejenigen, die den Großteil der Arbeit für das aktuelle Projekt umsetzen. Manchmal handelt es sich dabei um scheinbar triviale und absurd kleine Probleme, die dennoch ernst genommen werden müssen. Das Managementteam des Urban Theaters muss ständig zwischen diesen beiden Modi wechseln, was eine sehr bewusste mentale Umstellung zwischen „Projektmodus“ und „langfristiger Vision“ erfordert – oder, wenn du es lieber so ausdrückst, zwischen „Feuerwehrarbeit“ und „Apfelbäume pflanzen“.

Was sich bewährt hat, ist feste Zeit im Kalender für Strategie und langfristige Vision zu haben. Das wöchentliche „Strategiemeeting“ ist von Anfang an ein fester Bestandteil gewesen. Wird es abgesagt, wird es neu angesetzt, anstatt ausfallen zu lassen. Dies bietet die Gelegenheit, das operative Chaos zu pausieren, einen Schritt zurückzutreten und zu reflektieren: Gehen wir in die richtige Richtung? Passen unsere aktuellen Bemühungen zu unseren langfristigen Zielen? Gibt es wiederkehrende Probleme, die eine grundlegende Lösung benötigen? Was sollten wir proaktiv angehen, bevor es eskaliert?

  1. Akt: Agilität vs. Planung

Das gesamte Projektteam besteht aus fast 100 Teilnehmern in 12 Zeitzonen. Einige gehören zum Kernteam des Urban Theaters, einige sind Teil des Kernprojektteams von Focal Point, und andere spielen kleinere Rollen und übernehmen dennoch essenzielle Aufgaben. Das Team arbeitet hybrid und verwendet mindestens drei Sprachen aktiv – Englisch als gemeinsame Sprache, aber nicht für alle als Muttersprache. Diese Konstellation setzt das Führungsteam stark unter Druck, eine klare Struktur und Planung bereitzustellen, die es den Teammitgliedern ermöglicht, agil in der Umsetzung zu sein.

Das Managementteam des Urban Theaters hat das Planen sehr ernst genommen und sichergestellt, dass keine Unklarheiten darüber bestehen, wo das Team steht, was die Prioritäten sind und worauf der Fokus liegen sollte. Ihr konsequentes Vorgehen vermittelt die Botschaft, dass Agilität nicht das Fehlen von Planung bedeutet.

  1. Akt: Externe vs. Interne Kommunikation

Da Focal Point ein öffentliches Event ist, spielte die externe Kommunikation eine zentrale Rolle. Gleichzeitig war es essenziell, die interne Abstimmung und Koordination unter den Teilnehmern zu gewährleisten – ein weiterer kritischer mentaler Wechsel, um die interne Kommunikation zu optimieren. Dies führte zu konkreten Maßnahmen wie:

  • Klare Kommunikationskanäle definieren – Festlegen, welche Informationen per E-Mail, Messenger-Apps oder geteilten Dokumenten kommuniziert werden.
  • Effiziente Zusammenarbeit organisieren – Prozesse für den Dokumentenaustausch einrichten und sicherstellen, dass ein gemeinsamer Zugang besteht, um redundante oder widersprüchliche Arbeiten zu vermeiden.
  • Klare Regeln festlegen und kommunizieren – nicht nur in Bezug auf die Kommunikationskette, sondern auch auf Eskalationsprozesse für Problemlösungen.

Obwohl Theater eine Welt voller Mysterien, Magie, Glitzer und kreativer Spontanität ist, zeigt ein Blick hinter die Kulissen, dass dort die gleichen Muster wie in einem Tech-Start-up zu finden sind. Ob im Theater oder in der Geschäftswelt – die Balance zwischen Umsetzung und Strategie, Struktur und Agilität sowie externer und interner Kommunikation trennt das chaotische Durcheinander vom Meisterwerk.

Für mich ist dies der ultimative Stresstest für Best Practices – wenn sie in diesem hochdynamischen Umfeld funktionieren, dann wahrscheinlich auch in konventionelleren Geschäftsbereichen. Wenn nicht, dann sollten vielleicht die Grundlagen überdacht werden.

Epilog

Das Focal Point-Projekt gipfelt in sieben Work-in-Progress-Produktionen im Theater Strahlin Berlin am 22. und 23. Februar 2025. Für mich ist das der Ort, an dem man sein muss! Ich werde auf jeden Fall dabei sein – nicht nur für die Aufführungen, sondern auch, um mein Toolset für „Ad-hoc-Problemlösungen“ weiter zu verfeinern. Ich freue mich darauf, dich dort zu sehen!

 

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