Ich finde den Dezember einen faszinierenden Monat! Erstens spüre ich die Relativität der Zeit in dieser Phase immer besonders stark (und manchmal zu viel für mein Geschmack). Jedes Jahr habe ich das Gefühl – und eine immer stärkere Vermutung –, dass die Zeit im Dezember anders fließt: Sie wird spürbar flüssiger, rieselt mir quasi durch die Finger, um dann ihren Aggregatzustand zu ändern und ganz zu verdampfen. Auch wenn das manchmal frustrierend sein kann, sehe ich darin eine großartige Gelegenheit, meine eigenen Routinen und Prozesse einem Stresstest zu unterziehen. Außerdem ist es die perfekte Chance, einige Heuristiken zu erkennen, die ich bisher oft unbewusst angewendet habe. Geteiltes Wissen ist doppelte Freude, und dieses bescheidene Versuchskaninchen möchte seine Erfahrungen mit dir teilen.
Definiere ein nicht verhandelbares Minimalziel
Einerseits tauchen im Dezember mehr Ad-hoc-Aufgaben und To-dos auf. Andererseits gibt es dann all die Dinge, die zwar erwartet, aber trotzdem jedes Mal überraschend auf meiner Agenda stehen (ja, Weihnachtskarten, ich meine euch!). Und dann sind da noch all die Themen, die sich übers Jahr angesammelt haben, weil sie weder dringend noch extrem wichtig waren – und plötzlich habe ich das nagende Bedürfnis, sie endlich zu erledigen. All diese Kategorien zusammen erzeugen eine Zeitknappheit. Um diesen großen runden Pflock irgendwie in das kleine runde Loch zu bekommen, ist es verlockend, Zeit zu sparen, indem man Routinen vorübergehend aussetzt. Das hilft zwar kurzfristig, schafft aber langfristig neue Probleme, da die Struktur und die Stabilität der Routinen darunter leidet. Deshalb ist mein Ziel für den Monat nicht so sehr die gründliche Umsetzung aller etablierten Routinen, sondern vielmehr die Sicherstellung, dass das Gerüst, das sie bilden, stabil bleibt. Mein Ansatz ist es, die Intensität und die Zeitspanne zu reduzieren (falls nötig), die Routinen aber weitestgehend beizubehalten. Wenn ich eine Routine wirklich auslassen muss, stelle ich sicher, dass es nicht öfter als einmal hintereinander passiert. Diese Übung hilft mir, resilienter zu werden, denn durch das Festhalten an meinen Gewohnheiten und Routinen stärke ich meine eigene Selbstidentifikation.
Übe Flexibilität mit Aufgaben- und Projektmanagement-Tools
Der Dezember ist für mich nicht nur eine Zeit der Resilienz, sondern auch der Flexibilität. Und er zeigt überzeugend, wie das eine das andere unterstützt. Im Laufe der Jahre hatte ich eine widersprüchliche Beziehung zu Aufgabenmanagement-Tools: Manchmal habe ich das Gefühl, sie erzeugen eine unnötige Schicht von Bürokratie, für die ich wenig übrig habe. Gleichzeitig habe ich festgestellt, dass es hilfreich ist, im Voraus eine Schwelle oder rote Linie zu definieren, die mich dazu bringt, ein Tool zumindest zeitweise konsequent zu nutzen. Früher war diese Schwelle der Moment, in dem ich begann, spontane To-do-Listen auf Servietten oder Post-its von der Größe Capris zu kritzeln. Obwohl ich nichts gegen Post-its oder handschriftliche Listen habe (im Gegenteil, ich liebe das Gefühl, Dinge leidenschaftlich durchzustreichen und die Liste dann zu zerreißen oder zu verbrennen), habe ich viel gegen meine Handschrift, vor allem, wenn ich unter Zeitdruck stehe. Deshalb habe ich für mich jetzt einen klaren Trigger: Sobald ich mich dabei erwische, kleine Zettel zu nutzen, schließe ich alle Stifte, Pinsel und sogar Eyeliner weg und fange an, ein richtiges Tool zu nutzen – zumindest bis sich die Dinge wieder stabilisieren, was gemeinhin „Januar“ genannt wird.
Nutze äußere Zwänge und Kontrollen
Das funktioniert nicht nur in den turbulenten Dezemberwochen hervorragend, sondern ist auch in anderen Monaten ein bewährter Klassiker. Ein typisches Beispiel für den (guten) Zwang ist zu wissen, dass meine Arbeit die Voraussetzung dafür ist, dass jemand anderes endlich loslegt. Wenn ich keine Motivation finde, etwas für mich selbst zu tun, finde ich sie bestimmt fürs Team. So werden Daten rechtzeitig (auch wenn auf den letzten Drücker) vorbereitet, und Rechnungen landen zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Eine Form der Kontrolle ergibt sich für mich schon aus einer bloßen „Selbstverdonnerung“ oder Selbstverpflichtung, selbst wenn niemand aktiv kontrolliert. Natürlich kannst du aber auch einen echten Accountability-Buddy finden, der dich überprüft, oder sogar einen schriftlichen Vertrag mit ihm aufsetzen – was auch immer für dich funktioniert.
Diese Ansätze helfen mir enorm, das Chaos zu reduzieren, das die Jahresendphase oft mit sich bringt. Vielleicht ist das Beste an dieser Phase für mich, dass sie mich dazu zwingt, kurz innezuhalten und die Werkzeuge zu identifizieren, die diese Zeit des Jahres angenehmer machen. Ich finde es immer wieder spannend, auf etwas zu stoßen, das ich bisher halb unbewusst gemacht habe, und dann darüber nachzudenken: „Moment mal, das ist eigentlich interessant.“